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Wie Unternehmen heute Ihre Führungskräfte zu echten Leadern machen

19. Dezember 2020

Gerrit Mauch beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Lernen und Führungskräfte-Entwicklung und zählt zu den Besten in der Learning & Development Community. Er hat in den letzten Jahren die Lernumgebung bei MaibornWolff in München aufgebaut und maßgeblich geprägt. Seit Sommer 2020 ist er Geschäftsführer für die Gesellschaft für empirische Organisationsentwicklung in Regensburg. Wir haben mit Gerrit über Führungskräfte, deren Entwicklung, Lernen und sein Urteil zu unserer eLearning-Plattform „Coaching Zone by sanosense“ gesprochen.

Führung und Entwicklung heute

Gerrit, welche Kompetenzen sind aus deiner Sicht heute für Führungskräfte wichtig und was müssten deine Führungskräfte können, wenn du heute Geschäftsführer eines 500-Mann-Unternehmens wärst?

„Ich würde gar nicht in Kompetenzen denken. Was ich mir stattdessen anschauen würde, ich nenne es die jeweilige Mobilität der Führungskräfte. Dabei meine ich nicht räumliche Mobilität, sondern wie gehen Führungskräfte mit der Komplexität um. Es gibt Führungskräfte, die mir bzw. meinem Unternehmen helfen, Situationen zu stabilisieren, es gibt aber auch Führungskräfte, die mir helfen stabile Situationen wieder aufzulösen. Das Missverständnis von Führung liegt heute darin, dass wir immer noch in Hierarchien denken. Ich würde daher meinen Führungskräften beibringen zu führen und Führung nicht zu verwechseln mit Hierarchie. Hier würde ich ihnen klar machen, worin die Unterschiede dabei liegen. Hierarchie ist die Abkürzung von Führung, die Standardisierung von Führung. Führung ist hingegen der Dialog. Der große Vorteil von Hierarchie liegt im Zeitgewinn, sie ist extrem effizient. Ich würde versuchen in meiner Organisation zu überprüfen, wo ich wirklich Notwendigkeiten habe in der Effizienz und wo ich Hierarchien überhaupt benötige. Da würde ich ausschließlich auf mein Unternehmen schauen und nicht auf andere, was die machen. Volker Maiborn bei dem ich drei Jahre verbringen durfte, hatte immer ein schönes Beispiel: Wir waren ja direkt gegenüber der Theresienwiese, wo das Oktoberfest stattfindet und er sagte immer, wenn da Menschen aus Japan, Italien oder Australien hingehen, dann haben die zwar die gleichen Klamotten an, das nennt man dann Folklore aber sie haben den Sinn des Oktoberfestes überhaupt nicht verstanden. So ist es auch bei Führung. Wenn ich anfange Führung in Folklore zu bringen, weil ich denke, andere Organisationen machen es genauso, wenn ich Führung nur als Hierarchie verstehe, bin ich nur bei der Folklore. Führung bedeutet heute jedoch in unsicheren Situationen, und die haben wir mittlerweile ja nahezu permanent, Dialoge führen zu können. Ich würde daher euch beauftragen, wenn ich schlau bin als Geschäftsführer, um euch meine Führungskräfte Dialoge trainieren zu lassen. Denn darin liegt die wirkliche Führung. Und der Dialog ist die Herausforderung, erstmal zurücktreten zu können, aus seinem eigenen Ego, aus seinem eigenen Meinungsbild heraus und die richtigen Fragen zu stellen, nicht die negierenden Fragen zu stellen, sondern die positiven Fragen zu stellen und nicht gleich die wertenden Fragen zu stellen. So würde ich als Geschäftsführer heute Führung in meinem Unternehmen angehen.“

 

Wenn du jetzt selbst einer von diesen Führungskräften wärst, die den aktuellen Wandel spüren, wie würdest du persönlich vorgehen, um diese Herausforderungen meistern zu können?

„Ich glaube an die Neugier der Menschen, sonst würden wir heute keine Smartphones oder andere Technologien nutzen. Es muss also etwas geben, was uns Menschen neugierig macht. Und ich bin von Grund aus sehr neugierig und wissbegierig, schon immer gewesen. Auf diese intuitive Neugier würde ich hören und schauen, dass ich die Dinge mache, die mich interessieren, die ich spannend finde. Zudem reagieren wir auch stark auf das, was von uns gefordert wird, was in unserem Kontext passiert. Da wäre ich sehr achtsam und würde gut beobachten, was von mir gerade benötigt wird. Dann kommt auch dazu, dass wir ja schon Wissen gesammelt haben und aufgebaut haben. Da würde ich schauen, wo bin ich heute da noch up to date. Was muss ich heute Neues lernen? Besteht mein Berufsbild überhaupt noch? Ich hatte das Glück Soziologe zu sein, und damit kannst du grundsätzlich nur Taxifahrer werden oder in die Hotellerie gehen (lacht). Ich musste daher von früh an immer andere Berufe erlernen oder machen, und das hat mir geholfen, mich immer wieder neu mit dem Thema „Lernen“ auseinander zu setzen. Daher ist mein Learning aus den letzten Jahren an alle Führungskräfte: wachsam zu bleiben, auf seine Neugierde zu hören und immer wieder zu gucken, was passiert um einen herum und was ist gerade spannend, was man sich aneignen kann.“

 

 

Wenn wir mal in Unternehmen schauen und uns Personalabteilungen, Personalentwickler anschauen. Was müssen diese heute tun, um ihren Führungskräften in deren Entwicklung zu helfen?

„Die Herausforderungen, vor denen heute Organisationen und damit Personalabteilungen stehen, sind dass das Wissen exponentiell anwächst. Und in diesem Wissensmeer gilt es noch die relevanten Informationen herauszufinden, die für Organisationen wichtig sind. Personalentwickler müssen sich daher damit auseinandersetzen, wie komme ich an die relevanten Informationen in einer Flut von Informationen.

Wissen kippt heute sehr schnell ab. Das hängt natürlich wieder mit der Flut der Informationen zusammen. Daher gilt es, als Personalentwickler heute zu verstehen, dass Wissen bereits in der Situation der Aneignung, wenn es nicht eingesetzt wird, sehr schnell wieder weg ist. Die Halbwertszeit von Wissen ist sehr kurz. Dieses Wegkippen des Wissens kann ich verhindern, in dem ich sehr alltagsintegriert, sehr situationsorientiert versuche, Wissen zu festigen, zu trainieren. Also wegkommen von diesen klassischen Formaten Führungskräfte zwei Tage, auf ein Seminar zu schicken, wo sie dann mit theoretischem Wissen vollgepumpt werden, euphorisch nach Hause gehen, jedoch völlig losgelöst von der Alltagssituation verschwindet das Erlernte sofort wieder.

Deshalb sind eure Trainings ja so erfolgreich, weil ihr echte Führungssituationen aus den Unternehmen kreiert und die Coaching Zone eLearning-Plattform genau mit diesen echten Situationen arbeitet. Dadurch kann angeeignetes Wissen viel, viel besser gefestigt und stabilisiert werden, weil es situativ übertragen wird und zur Anwendung dadurch gelangt.

Das dritte ist, dass wir in der klassischen Personalentwicklung immer noch ein starkes Bild von Fordern und Fördern haben. Menschen sind heute jedoch selber sehr gut darin zu erkennen, wo sie sich entwickeln wollen und wollen viel stärker selbstgesteuert lernen. Viel spannender ist es für Personalentwickler daher heute bereits zu schauen, wo bereits Wissen vorhanden ist, aber noch nicht die Anwendungsmöglichkeiten dazu bestehen. Dazu kann man analysieren, welche meiner Führungskräfte hilft in welchen Situationen. Wann benötige ich jemanden, um etwas aufzuweichen, wann kann ich jemanden dafür benutzen, um etwas wieder zu stabilisieren? Denn ich brauche beide Seiten.

Und dann, denke ich, hat die Personalentwicklung eine total relevante Rolle in den Organisationen.“

 

Du hast die klassischen Programme der Führungskräfte-Entwicklung, die Seminare und Workshops angesprochen. Heute werden ja immer noch viele Führungskräfte zu solchen Veranstaltungen geschickt und dafür wird auch viel Geld ausgegeben, in dem Glauben oder der Hoffnung, dass die Teilnehmer danach fit wären und das Erlernte im Alltag anwenden können. Die Praxis zeigt eindeutig, dass es jedoch nicht funktioniert. Die Haltbarkeitszeit von Wissen hattest du ja gerade angesprochen. Woran liegt das und was machen erfolgreiche Trainer?

„Es liegt einfach an der Flut an Informationen, die wir heute in den Trainings erhalten und nicht mehr verarbeiten können. Was viele Trainer in den Veranstaltungen noch schaffen, ist Verständnis auszulösen. In der Tat gehen die meisten Teilnehmer ja dann aus Seminaren heraus und sind damit auch zufrieden, weil sie etwas Neues erfahren haben, dass total sinnvoll ist. Allerdings merken diese dann im Alltag, dass sie es nicht anwenden können. Die Unzufriedenheit stellt sich dann erst später ein. Da sie nach dem Seminar ihrer Personalabteilung aber erzählt haben, wie toll das war, trauen sie sich jetzt kaum mehr zuzugeben, dass sie es nicht einsetzen können. Sie denken, es läge an ihnen, es nicht zu beherrschen, obwohl der Trainer es doch so toll erklärt hat.

Dabei können sie gar nichts dafür. Denn bereits im Moment der Wissensaufnahme, wenn es nicht in Situationen transkribiert wird, verschwindet Wissen heute sehr schnell wieder. Unser Gehirn fühlt sich mit den neuen Inhalten einfach noch nicht sicher und stabil genug.

Die Kunst der erfolgreichen Trainer besteht heute deshalb darin, nicht nur selbst gute Geschichten erzählen zu können, sondern vor allem sich die Geschichten der Teilnehmer zu holen. Eure Systematiken, die ihr bei sanosense aufgebaut habt, beruhen genau auf diesen Ideen. Also nicht, ich erzähle euch jetzt gute Geschichten und ihr seid gut entertaint worden am Ende des Tages, sondern die Situationen der Teilnehmer aus dem Alltag im Training zu kreieren, die auch mal kritisch sind, bei denen sich die Teilnehmer mit sich selbst, mit ihrer Führung auseinandersetzen müssen. Und diese Kombination macht einen guten Trainer aus.

Ihr transkribiert vermitteltes Wissen direkt in situative Anwendung. Und zwar in die Situationen, die für die Führungskräfte relevant sind. Also habt ihr dadurch eine ganz andere Aufmerksamkeit, was die Aufnahme von Informationen erleichtert. Ihr vermittelt damit den Teilnehmern auch Nutzen, weil diese sofort verstehen, dass es ihnen hilft, aktiv sich zu beteiligen, um danach ihre eigenen Situationen besser lösen zu können. Und zu guter Letzt habt ihr natürlich mit eurer eLearning-Plattform „Coaching Zone“ ein herausragendes Tool geschaffen, mit dem die Teilnehmer nach Trainings die Situationen immer und immer wiederholen können. Dadurch entsteht die Sicherheit und das Wissen wird verstetigt und gefestigt.“

Thomas Heidenreich

Vorstandsvorsitzender

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