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Umgang mit Druck im Profi-Sport und Business

31. März 2018

Per Mertesacker, Fußball-Weltmeister hat im März 2018 im Spiegel ein bemerkenswertes Interview gegeben über den Druck im Profi-Fußball. „Die Anspannung vor dem Spiel sei kaum auszuhalten, mir dreht sich der Magen um als müsse ich mich gleich übergeben.“ Wir haben für Sie recherchiert, mit Psychologen gesprochen, mit Coaches und Profi-Spielern. Über den Druck im Profi-Sport aber auch im Arbeitsleben, welche Strategien es gibt damit umzugehen und wie Sie sich als Unternehmen und Mitarbeiter davor schützen können, lesen Sie im mehrteiligen Blog: „Umgang mit Druck im Profi-Sport und Business“

Welchen Druck ein Fußball-Weltmeister verspürt hat

Der Brechreiz packt ihn vier bis fünf Sekunden vor dem Anpfiff, jedes Mal. Wenn er seine Position auf dem Spielfeld bezogen hat, inmitten der brüllenden Fans. Wissend, dass er jetzt wieder alles geben muss, 90 Minuten lang.

Die Anspannung sagt er, sei dann kaum auszuhalten.

„Mir dreht sich der Magen um, als müsse ich mich gleich übergeben. Ich muss dann einmal so heftig würgen, bis mir die Augen tränen.“

Den Kopf habe er dabei immer zur Seite gedreht, Kinn Richtung Schulter, damit ihn niemand dabei sieht. Die TV-Kameras nicht, der Trainer nicht, die Mitspieler und Gegenspieler nicht. Damit nie jemand fragt, was da eigentlich los ist mit ihm, vor jeder Partie. Mit Per Mertesacker, dem souveränen, ruhigen Innenverteidiger von Arsenal London, der mit Deutschland 2014 Weltmeister wurde.

Per Mertesacker gab in der Spiegel-Ausgabe 11/2018 ehrliche Einblicke in sein Innenleben und in die Härten seines Jobs und hat damit heftige Reaktionen ausgelöst.

Rund 500 Spiele hat er als Profifussballer bestritten. Jeder Spieltag begann mit dem gleichen Muster: Nach dem Aufstehen eilte er zur Toilette, Durchfall. Durchfall auch nach dem Frühstück, dem Mittagessen, der Ankunft im Stadion. Noch nie hat ein Fußballer so offen über die Folgen des Drucks gesprochen. Auch untereinander sei das kein Thema, sagt Mertesacker. Aber auf die Toilette eilten am Spieltag alle.

Druck im Profi-Sport – ein Blick hinter die Kulissen

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Um herauszufinden, wie Profisportler mit Druck umgehen und was man als Mitarbeiter oder Unternehmen davon lernen kann, haben wir zahlreiche Interviews mit Sportlern geführt und unglaublich offene und ehrliche Antworten bekommen.

„Als ich das erste Mal in der ersten Bundesliga, in den ganzen vollen Hallen, gegen die besten Spieler der Welt gespielt habe, wäre ich am liebsten wieder rückwärts rausgegangen!“

So beschreibt Florian Billek, Deutscher Handball-Nationalspieler seine ersten Erlebnisse mit dem Druck in der besten Liga der Welt zu bestehen.

„Druck ist immer da, den verspürt jeder Spieler und Trainer. Viele jedoch versuchen sich nichts anmerken zu lassen und fressen es in sich hinein.“ Alle Sportprofis haben uns bestätigt, dass sie Druck spüren. Leider trauen sich sehr wenige offen darüber zu sprechen, wie es jetzt Per Mertesacker getan hat.

Die heftigen Reaktionen auf die Aussagen des ehemaligen Nationalspielers lassen erahnen, warum dies so ist. Ganz Fußball-Deutschland diskutiert seitdem kontrovers darüber. „Im eigenen Land eine Weltmeisterschaft zu spielen, bei der du von so einer Euphorie getragen wirst, das darf ja gar keine Belastung sein“, so Lothar Matthäus bei Sky. Der Tenor von vielen ehemaligen Spielern lautet: „Es hat ihn ja keiner gezwungen zu spielen.“

Das lässt erkennen, warum die meisten Profi-Sportler Angst davor haben, offen und ehrlich mit dem Thema „Druck“ umzugehen. Es wird ihnen als Schwäche ausgelegt. Die Angst ist groß, darüber verletzt zu werden.

Dabei zeigt Mertesacker wahre Stärke, er traut sich an die Öffentlichkeit zu gehen, auch wenn es erst im Spätherbst seiner Karriere geschieht – nach der Saison beendet er diese und wird Jugendkoordinator bei Arsenal London. Aber sein Geständnis macht Hoffnung und löst eine offene Debatte um den Leistungs- und Erfolgsdruck im Sport aus. Wenige Tage später gab Fußball-Europameister Andre Gomes, dem Magazin „Panenka“ ein ähnliches Interview und sprach über seine Versagensängste.

„Ich fühle mich während der Spiele schlecht. Ich denke zu viel über die negativen Dinge nach. Vielleicht ist es nicht das richtige Wort, aber für mich ist Barcelona so etwas wie die Hölle.“

Dabei ist einmal im „Camp Nou“, dem Fußball-Tempel Barcelonas, an der Seite von Lionel Messi, zu spielen, für die meisten Fußballer ein Traum. Doch der Portugiese hadert mit dem hohen Erfolgsdruck, der dazu führt, dass er sich zeitweise nicht einmal traut, das Haus zu verlassen.

Welche Möglichkeiten es gibt, mit diesem Druck umzugehen? Dazu haben wir uns mit dem Arbeits-, Personal- und Organisationspsychologen Stephan Kortmann unterhalten. Seine Tipps lesen Sie im zweiten Teilartikel zum Thema Umgang mit Druck.

Thomas Heidenreich

Vorstandsvorsitzender

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