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Serie | Ressourcen effektiv nutzen

Die immense Bedeutsamkeit der Wahrnehmung

19. März 2018

Extreme bleiben im Gedächtnis. Inwiefern dies unser Tun beeinflusst, wie sich aus Wahrnehmungen Routinen entwickeln und warum wir durch Wahrnehmungskonflikte Ressourcen verlieren, erfahren Sie im folgenden Teilartikel.

Wir erinnern uns nur an die Extreme

Wir wundern uns oft darüber und können es teilweise gar nicht verstehen, warum andere Menschen zu  Dingen, die uns völlig klar erscheinen, vollkommen andere Auffassungen haben.

Ein Beispiel, das uns bei einigen unserer Kunden in der Industrie sehr oft begegnet, ist ein völlig unterschiedliches Verhalten bei Firmenübernahmen. Selbst, wenn eine Fusion faktisch gesehen für die Mitarbeiter einen Vorteil darstellt und alles gut verlaufen ist, gibt es völlig unterschiedliche Bewertungen: Dem alten Unternehmen ging es nicht gut, die Mitarbeiter wussten, dass man finanziell in großen Schwierigkeiten steckte und wohl nicht mehr lange am Markt bleiben kann. So sollte das Übernahmenagebot eines Unternehmens, das derartige Vorgänge in der Vergangenheit sehr oft überaus gut gemeistert hat und ein Versprechen auf den Erhalt der Arbeitsplätze gab, eigentlich die Rettung sein. Bei Thomas Kohn (Name geändert) löst dies jedoch andere Gefühle aus, die seine Kollegen gar nicht verstehen können. Seine Motivation leidet und seine Leistung sinkt. Was die Kollegen nicht wissen, Thomas Kohn hatte schon einmal eine Übernahme bei seinem vorherigen Arbeitgeber mitgemacht. Damit begann eine negative Lawine loszugehen, die letztendlich in der Kündigung gipfelte. Diese Erinnerung führt bei Hr. Kohn dazu, dass negative Emotionen wieder hochkommen und seine Erwartung und Bewertung dadurch wieder negativ ausfallen.

Ein zweites Beispiel. Ich bin eine Strecke schon 1.000x gefahren. In den letzten 3 km bis zum Zielort geht es für ca. 700 Meter durch ein Waldstück. Das hat mir bis dato nie etwas ausgemacht. Eines Tages ist mir in diesem Waldstück ein Reh in das Auto gerannt. Dieser Einschlag hat fast ein halbes Jahr lang meine Bewertung zu dieser Strecke auf einen Schlag komplett verändert. Mein Puls war erhöht, wenn ich die Waldpassage befahren habe. Ich wurde viel langsamer, habe ständig nach rechts und links geschaut und immer Angst gehabt, dass mir erneut ein Reh vor das Auto läuft.

In beiden Fällen wurde das Extrem, der Absturz nach der Übernahme und der Einschlag mit dem Reh, abgespeichert. Das hat unsere Wahrnehmung und unsere Bewertung verändert, wenn wir wieder in derartige Situationen gekommen sind. Aber wäre das nötig gewesen? Wie können wir daraus ausbrechen?

In Ihrem Unternehmen verlieren Sie im ersten Fall Leistung. Ängste und Unsicherheiten, die durch die Übernahme bei Hr. Kohn ausgelöst wurden, verhindern seinen Beitrag zur Produktivität. Aber sind diese Ängste in diesem Fall auch begründet? Die Konstellation ist jetzt eine ganz andere als bei seinem vorherigen Arbeitgeber. Im vorherigen Fall war bereits bei der Übernahme alles auf wackligen Beinen gestanden, es war eine Risikowette auf die Zukunft, es war hochspekulativ. Bereits vor und während der Übernahme wurden gravierende Fehlentscheidungen getroffen, es gelang nicht, die Top-Mitarbeiter zu halten. Die einzelnen Schritte des Absturzes waren klar ersichtlich und niemand hatte rechtzeitig eingegriffen. In der jetzigen Situation handelt es sich aber um einen ganz anderen Sachverhalt. Das Unternehmen hat mit derartigen Übernahmen viel Erfahrung, welche bereits 37x sehr erfolgreich praktiziert wurden. Man konnte schon vor der Übernahme eine klare Philosophie und Idee erkennen, es gab einen sehr guten Plan, wie die Übernahme gelingt und die Fähigkeiten für den Markt gewinnbringend genutzt werden können. Die Ängste von Hr. Kohn wären in diesem Falle also unbegründet gewesen.

 Ähnlich verhält es sich bei dem Beispiel mit dem Reh. Die Angst wurde ausgelöst durch die Erinnerung an das Extreme, den Einschlag. Was erst einmal in der Erinnerung im Verborgenen geblieben ist, sind die Einzelheiten, die Details, dazu. Der Unfall ereignete sich im Herbst, gerade in der Dämmerung gegen 17 Uhr, die Straße war feucht und voller Blätter, der Bremsweg damit länger, der Wildwechsel zu der Jahreszeit häufiger. Ist es also notwendig, auch im Sommer, bei einer Fahrt um die Mittagszeit bei 27 Grad und trockener Fahrbahn, Angst zu haben, dass erneut so ein Einschlag passiert?

Aus Wahrnehmungen entwickeln wir Routinen

Jede Erfahrung, die wir machen speichern wir ab. Häufigkeit und Zeit sowie unsere Einstellung bestimmen darüber, ob wir aus diesen dann Routinen entwickeln. Im Falle des Rehs entstand die Routine, für eine lange Zeit an dieser Stelle langsamer und vorsichtiger zu fahren. Bei zahlreichen Kommentaren zu Sonja W. mit der Paartherapie (siehe erster Teilartikel) konnte man klar herauslesen, dass auch dort Routinen entwickelt wurden, wo Menschen einmal betrogen worden sind. Das erleben Sie auch in Ihrem Unternehmen und da wird es besonders teuer. Den Mitarbeiter einmal massiv für einen Fehler gerügt und kritisiert und schon wird er vielleicht nicht mehr innovativ sein. Er flüchtet sich in Routinen, macht Dinge, die er schon immer gemacht hat, um auf keinen Fall mehr in die Situation zu kommen, dass er von Ihnen angegangen wird. Bei unseren Analysen geben im Durchschnitt ca. 15 % der Teilnehmer an, dass sie Angst davor haben, Fehler zu machen. Die Ursachen sind in der Regel negative Erlebnisse, die die Wahrnehmung und Bewertung der Mitarbeiter beeinflussen. Sie entwickeln Routinen, die Sie vor Fehler schützen. Leider entsteht dadurch auch eine Innovationsbremse für Ihr Unternehmen.

Wie schnell aus Wahrnehmungen Verhalten und Routinen entstehen, zeigt das folgende youtube-Video auch ganz genau:

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Dabei geht es bei den entwickelten Routinen im Unternehmen leider oft nicht mehr darum, ob das denn überhaupt vernünftig ist oder nicht. Die Mitarbeiter tun es einfach, ohne es zu hinterfragen.

Durch Wahrnehmungskonflikte verlieren Sie Ressourcen

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Wie viele Mitarbeiter sind in Ihrem Team? Und wie viele davon sind nicht nur anwesend, sondern auch voll integriert und leisten einen wesentlichen Beitrag zu Ihrer Wertschöpfung?

In Zeiten von Fachkräftemangel haben viele Unternehmen vor allem ein Kapazitätsproblem. Sie können Aufträge nicht mehr annehmen oder zu Ende bringen, weil ihnen Personal und Ressourcen fehlen. Umso dramatischer ist es dann, wenn vorhandenes Personal zwar anwesend ist, aber nicht produktiv.

Wodurch verlieren Sie vielleicht Ihre Kolleginnen und Kollegen? Warum werden manche Mitarbeiter kaum oder gar nicht mehr wahrgenommen oder Beiträge von ihnen?

Nun, da gibt es mehrere Gründe. Vielleicht ist es Ihnen auch schon mal so ergangen. Sie haben einen Mitarbeiter, der immer negativ eingestellt ist. Wenn Sie mit ihm sprechen, kommen immer Einwände. Alles sieht er anders als Sie. Selbst wenn er zunächst zustimmt, kommt sofort ein „ja aber“. Sie merken selbst, wie anstrengend es für Sie ist mit ihm zu kommunizieren. Irgendwann hören Sie gar nicht mehr richtig zu. Sie beginnen sich selbst zu schützen, Sie wollen ja nicht unnötig Energie verschwenden. Der Haken an der Sache ist aber, dass Sie damit wichtige Impulse von ihm auch nicht mehr mitbekommen. Wenn Sie nach den ersten beiden Sätzen abschalten, weil es Ihnen wieder zu anstrengend erscheint, überhören Sie die zündende Idee, die er Ihnen im 7. Satz mitteilen wollte.

Ein anderes Beispiel kommt auch häufig vor. Den Kollegen kennt man seit 10 Jahren. Da braucht man ja nicht mehr zu fragen. Da weiß man doch eh alles, auch wie er darüber denkt. Warum also Zeit verschwenden?

Wir gehen oft von uns aus. „Ist doch alles logisch“, „der sieht das sicher ganz genauso“. Damit hören wir auf, miteinander zu sprechen. Häufig merken wir erst viel später, dass man damit in unterschiedliche Richtungen losläuft. „Das habe ich gar nicht so gemeint“ oder „Warum hast du denn nichts gesagt?“ sind Sätze, die oft erst fallen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.

Wie es um das Risiko für Fehler bei Bewertungen steht und warum die Kommunikation bei der Wahrnehmung eine große Rolle spielt, erfahren Sie im letzten Teilartikel dieser Serie…

Thomas Heidenreich

Vorstandsvorsitzender

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